Arbeitrecht und Schwerbehinderung

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Darf der Arbeitgeber nach einer bestehenden Schwerbehinderung fragen?

Bislang wurde die Frage nach der Schwerbehinderteneigenschaft in ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes (BAG) für uneingeschränkt zulässig erachtet, auch wenn die Behinderung keinen Einfluss auf die Erbringung der Arbeitsleistung hatte. Nach Erlass der Richtlinie 2000/78/EG, welche die Diskriminierung einer/s Arbeitnehmers/Arbeitnehmerin wegen einer Behinderung untersagt und der daraufhin erfolgten Einführung des § 81 Abs.2 SGB IX, wird dieses Fragerecht des Arbeitgebers eingeschränkt. Die Frage nach einer Schwerbehinderung wird demnach zulässig sein, wenn bestimmte körperliche oder geistige Fähigkeiten zwingende Voraussetzung für die berufliche Tätigkeit sind und sich auf das Arbeitsverhältnis auswirken.

 

Darf der Arbeitgeber während des Arbeitsverhältnisses nach einer Schwerbehinderung fragen?

BAG v. 16.2.2012 – 6 AZR 553/10; NZA 2012, 555
. Die Frage des Arbeitgebers nach der Schwerbehinderung bzw. einem diesbezüglich gestellten Antrag ist im bestehenden Arbeitsverhältnis jedenfalls nach sechs Monaten, d. h. gegebenenfalls nach Erwerb des Behindertenschutzes gem. §§ 85 ff. SGB IX, zulässig. Das gilt insbesondere zur Vorbereitung von beabsichtigten Kündigungen.

 

Schwerbehindertenkündigung in der Probezeit

Der Sonderkündigungsschutz für Schwerbehinderte nach §§ 85 ff. SGB IX gilt nach § 90 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX nicht, wenn das Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung noch nicht länger als sechs Monate bestanden hat. Eine Kündigung innerhalb der sechs Monate kann aber gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verstoßen, wenn der/die Arbeitnehmer/in aufgrund einer Behinderung gekündigt wurde. Dies hat zu Folge, dass gegenüber der/dem Arbeitgeber/in Schadensersatz- und Entschädigungszahlungen geltend gemacht werden können (§§ 1, 15 Abs. 1, 2 AGG).

 

Besonderer Kündigungsschutz

Besonderer Kündigungsschutz bedeutet nicht, dass eine Kündigung verboten oder ausgeschlossen ist. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen durch die/den Arbeitgeber/in bedarf jedoch der vorherigen Zustimmung des Integrationsamts. Eine ohne Zustimmung des Integrationsamts ausgesprochene Kündigung ist rechtsunwirksam (nichtig). 

Geschützter Personenkreis: Arbeitnehmer/innen, deren anerkannter Grad der Behinderung (GdB) vom Versorgungsamt mit mindestens 50 festgestellt wurde oder diesen gleichgestellt sind.

- 50 GdB

- oder Gleichgestellte

 

Änderungskündigung und Schwerbehinderung

Eine Änderungskündigung liegt vor man, wenn die/der Arbeitgeber/in das Arbeitsverhältnis kündigt  und der/dem Arbeitnehmer/in und gleichzeitig die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Arbeitsbedingungen anbietet (§ 2 Kündigungsschutzgesetz). Die Änderungskündigung bedarf daher wie die Kündigung, der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes.

 

Aufhebungsvertrag und Schwerbehinderung

Eine weitere Form der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist der Aufhebungsvertrag. Die Parteien des Arbeitsvertrages (Arbeitgeber/in und Arbeitnehmer/in ) kommen darin überein, dass das Beschäftigungsverhältnis zu einem bestimmten Zeitpunkt aufgelöst werden soll. Im Gegensatz zur Kündigung, die das Arbeitsverhältnisses durch einseitige Erklärung beendet, vereinbaren hier beide Parteien gemeinsam die Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Ein schwerbehinderter Mensch ist wie jeder andere in seinem Entschluss frei, einen Aufhebungsvertrag mit dem Arbeitgeber abzuschließen. Rechtlich bedeutet ein solcher Vertrag aber, dass er auf den besonderen Kündigungsschutz nachverzichtet  (§§ 85 SGB IX ff bzw. § 168 SGB IX n.F.). Bei einem Aufhebungsvertrag bedarf es daher auch nicht der Zustimmung durch das Integrationsamt.

Der Aufhebungsvertrag hat zudem in der Regel zur Folge, dass eine Sperrzeit für Arbeitslosengeld verhängt wird (§ 159 SBG III). 

Vor einer derartigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses sollte sich die/der schwerbehinderte Beschäftigte beraten lassen, welche Form der Beendigung zur Vermeidung von Rechtsnachteilen am zweckmäßigsten ist.

 

Beteiligung der SBV bei Kündigungen

Eine wichtige Änderung in Bezug auf arbeitrechtliche Kündigungen ist die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung bei Kündigungen von Menschen mit Schwerbehinderung oder diesen Gleichgestellten. 

Die formalen Anforderungen an eine wirksame Kündigung von Menschen mit Schwerbehinderung sind gestiegen:

- neben der Zustimmung des Integrationsamtes (bisher § 85 SGB IX, § 168 SGB IX n.F.) 
- und der ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats (§ 102 BetrVG) 
- ordnungsgemäße Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung (§ 95 Abs. 2 S. 3 SGB IX  bzw. § 178 Abs. 2 SGB IX n.F.).